Innsbruck, Stubai Ultra-Trail, 66 km 4700 HM

Samstag, 2. Juli 2022

Gertruds Laufabenteuer in den Stubaier Alpen

Gertrud erfüllt sich mit eisernem Willen ihr großes Saisonziel, obwohl sie von den ausgeschriebenen Klassen eigentlich schon zu alt ist. Begeistert beschreibt sie ihr Laufabenteuer mit 66 km – 4.700 hm aufwärts – 2.355 hm abwärts von Innsbruck (574 hm) – Neustift im Stubai (991 hm) – Bergstation Eisgrat, Stubaier Gletscher (2.960 m):

Nach 47 Laufjahren nochmal was Neues. Ich liebe die Herausforderung und muss scheinbar alles mal ausprobieren, was mir möglich scheint. Grandiose Stimmung um 1 Uhr nachts am Samstagmorgen vor dem Innsbrucker Landestheater. Lange Hosen, lange Shirts, Handschuhe, Mütze („keine Haut sichtbar“), Handy mit Notfallnummer, 1,5 ltr Getränk, Rettungsdecke, Verbandszeug, Pfeife, Stirnlampe mit Ersatzakku etc. sind Pflicht im Laufrucksack und werden kontrolliert. Tags zuvor hatte es stundenlang geschüttet wie aus Kübeln, entsprechend nass und aufgeweicht waren die erdigen Trails aus Innsbruck hinaus. Schmale Wurzelpfade in Tuchfühlung eines wilden Baches mit Absturzgefahr und rutschigen Holzbohlenbrücken. Immer munter rauf und runter, mit Stau an Kraxelstellen, so schlängelt sich der Tatzelwurm mit höchster Konzentration durch die dunkle Nacht. Schon allein diese besondere Stimmung im Dunkeln lohnt den Start.

In der Morgendämmerung erreiche ich bekanntes Gebiet: An der Schlickeralm vorbei geht´s auf der Berglauf-WM-Strecke von 2022 hinauf. Im Schatten der schroffen Kalkkögel am Kreuzjoch vorbei, wird das Sennjoch auf 2240 hm erreicht. Saukalt ist´s, man glaubt´s kaum, Handschuhe und Mütze müssen raus, mit gefühllosen Händen den Rucksack öffnen klappt gerade so im 5. Versuch. Wunderbare Fernsicht, orangeroter Sonnenaufgang über der Nebeldecke im Tal – man möchte eigentlich nicht weiter, so unvergleichlich schön ist´s.  Weiter über wilde seilgersicherte Felspassagen, faszinierend! Ein langer anspruchsvoller Abstieg folgt, nach Neustift hinunter. Immer weiter und weiter, am immer ansteigenden Talboden entlang zum tosend erfrischenden Grawa-Wasserfall, immer rauf und runter, keine Frage. Die ersten schnellen, noch ziemlich ausgeruhten Läufer der 32 km Strecke kommen! Das heißt andauernd Platz machen beim langen felsigen Steilabstieg mit eigenen strapazierten Beinen. Ebenso rauf zur Talstation der Stubaier Gletscherbahnen. Der längste Anstieg kommt erst noch! Besonders flott geht bei mir nun nichts mehr. Schnaufpause, Auftanken, Cola, Suppe, Salz, Melonen, Salamibrot, Wasserbehälter füllen. Brütend heiß ist`s nun, schattenlos der Aufstieg zur Dresdner Hütte. Eine Käppi einstecken zum Eintauchen in eiskalte Wasserläufe, beim nächsten Mal bestimmt! Verpflegungspunkt 9, Dresdner Hütte. Ich bin und schaue wohl auch etwas langsam. „Soll mer Dich abmelden?“, fragt einer. „Nein! Ich lauf gar rauf !“ Der letzte Kick und Schritt für Schritt im Wandertempo, das sei hier zugegeben, immer nochmal ein paar Meter wieder runter und einen weiten Bogen  hinüber zur 2960 m hoch oben gelegenen Bergstation Eisgrat. Da! Jetzt aber schnurstracks auf den blauen Zielbogen zu! „Gertrud, du musst ganz dahin vor, und dann links rum!“ Noch eine Schleife! K.o. und noch mehr froh im Ziel. Kaiserschmarrn gibt´s und Bier … Wiederholung nicht ausgeschlossen.

(Gertrud)

Gertrud startbereit und voller Vorfreude, eigenes Foto